Persönlicher Bericht vom Rande der Critical Mass vom 31.07.2020

Wie nach der Pressekonferenz der Stadtspitze und der Polizei am Mittwoch, 29.07.2020 schon fast zu befürchten war versuchte die Polizei mit massiver Präsenz am Treffpunkt Opernhaus zu verhindern, dass Radfahrende in einer Gruppe als sogenannte Critical Mass durch Nürnberg radeln.

Als Nürnberger Stadtrat und verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Stadtratsfraktion war es mir ein Anliegen mir selbst ein Bild zu verschaffen, wie mit den Radfahrenden umgegangen wird.

Ich machte mich deshalb mit meinen Kindern im Fahrradanhänger auf den Weg zum Opernhaus und kam dort gegen 18 Uhr an. Gerne möchte ich hier meine persönlichen Erlebnisse mitteilen, die mich durchaus verstört haben.

Als ich am Opernhaus ankam, konnte ich sehen dass die Polizei den Platz vor dem Opernhaus abgeriegelt hat. Mehrere Radfahrer*innen waren wartend in der näheren Umgebung zu sehen. Kurz nach 18 Uhr konnte sich dann eine Gruppe von ca. 100 Radfahrer*innen Richtung Bahnhof auf den Weg machen. Wir hatten den Anschluss an diese Gruppe verpasst. Ich hatte mittlerweile einige Bekannte getroffen und aufgrund des schönen Wetters haben wir entschieden gemeinsam durch die Stadt zu radeln, in der Hoffnung vielleicht wieder die Gruppe zu finden. Wir waren dann sieben Personen plus meine beiden Kinder und haben uns auf den Weg Richtung Dutzendteich gemacht. Dabei haben wir alle Verkehrs- und auch Abstandsregeln eingehalten. Wir sind nicht als Verband gefahren sondern hintereinander und haben benutzungspflichtige Radwege immer benutzt. Rote Ampeln haben wir selbstverständlich beachtet. Am Platz der Opfer des Faschismus sind wir auf weitere Radfahrer*innen gestoßen. Wir waren dann in Summe etwa 25 Personen und sind weiterhin hintereinander auf dem Radweg parallel zur Münchner Straße gefahren. An der Kreuzung zur Bayernstraße wurden wir durch die Ampelphase von den kürzlich angetroffenen Radler*innen getrennt und waren wieder zu siebt unterwegs. Dort ist uns auch die starke Polizeipräsenz aufgefallen. Mehrere Kleinbusse der Polizei waren auf der Münchner Straße unterwegs. Auf Höhe des Alfred-Hensel-Wegs haben wir die Straßenseite gewechselt und sind wieder die Münchner Straße auf dem Radweg Richtung Norden gefahren.

Auf Höhe der Ingolstädter Straße haben wir eine Pause eingelegt und dazu auf dem Gehweg angehalten. Nach circa einer Minute kamen zwei Polizeibusse mit hoher Geschwindigkeit angefahren und haben genau auf unserer Höhe angehalten und den Radweg dort blockiert. Offensichtlich hatten Sie andere Radfahrer*innen verfolgt und versucht diese dort aufzuhalten. Das ist Ihnen zum Teil auch gelungen. Einen Radfahrer hatte ein Polizist versucht während der Fahrt vom Fahrrad zu ziehen. Der Radfahrer konnte aber weiterfahren.

Dann haben Sie angefangen alle Personen mit Fahrrad zu kontrollieren und Personalien aufzunehmen. Bei einer mir bis dahin unbekannten Person habe ich mitbekommen, dass ihm vorgeworfen wurde an einer nicht genehmigten Veranstaltung teilzunehmen. Sein Fahrrad wurde komplett auf Fahrtüchtigkeit und Verkehrssicherheit überprüft und es konnte nichts beanstandet werden. Anschließend haben die Beamten bei beiden Reifen seines Rades die Luft abgelassen. Dann ging es weiter mit zwei Bekannten von mir, die mit mir unterwegs waren. Auch dort wurde jeweils aus beiden Reifen die Luft abgelassen. Ich wollte ein Video davon machen, aber als ich das Mobiltelefon in die Hand genommen habe hat mir ein Polizist gesagt, dass ich das nicht dürfe und ich mit Konsequenzen zu rechnen habe. Deshalb habe ich das dann unterlassen. Jemand anderes hat das aber dokumentiert und das ist genau die Szene die auf folgendem Video zu sehen ist: https://twitter.com/i/status/1289602787592949760.

Irgendwann kam ich an die Reihe. Ich habe dann darauf hingewiesen, dass es ein Nachspiel haben würde wenn Sie bei mir die Luft ablassen, insbesondere da ich mit den Kindern unterwegs bin. Der Beamte hat dann gesagt, dass er wegen der Kinder bei mir darauf verzichtet die Luft abzulassen. Ich solle aber nicht mehr in einer Gruppe weiterfahren, sonst bekäme ich Probleme. Ich habe dann nachgefragt ab wann es denn eine Gruppe ist, schließlich bin ich mit den Kindern schon zu dritt. Der Polizist hat geantwortet, dass dies im Ermessen der Beamten liegt ab wann sie es als Gruppe beurteilen. Die Polizei hat sich dann zurückgezogen auf die andere Seite der Münchner Straße und uns von dort weiter beobachtet. Nach einigen Diskussionen sind wir dann einer nach dem anderen einzeln von dort nach Hause gefahren.


Mich hat das auftreten der Polizei verunsichert und ich bin der Auffassung, dass die Beamten hier zu weit gegangen sind und gegen geltendes Recht verstoßen haben. Meine Kinder hat das Auftreten der Polizei auch beeindruckt. Am Tag nach dem Vorfall hatte mich meine Tochter gefragt ob wir umziehen können. Ich fragte nach dem Grund. Sie gab mir zur Antwort, weil hier die Polizei sei.


Ich hoffe das dieser Vorfall politisch, juristisch und auch journalistisch aufgearbeitet wird. Für mich stellen sich viele Fragen.

Warum konnte die CM in anderen Städten stattfinden und in Nürnberg nicht? War das Vorgehen der Beamten rechtmäßig? War es verhältnismäßig und das mildeste Mittel? Welche Rolle spielt die Stadtverwaltung? War es politisch motiviert? Wie will die Stadt in Zukunft mit der CM umgehen?

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